Kasualkultur der Gegenwart
Kirche im Aufbruch (KiA), Band 24
Im Auftrag des Zentrums für Qualitätsentwicklung im Gottesdienst hrsg. von Thomas Klie, Folkert Fendler und Hilmar Gattwinkel
Die Kasualkultur bestimmt das kirchliche Leben: Man lässt in aller Regel seine Kinder taufen und hält sie an zur Konfirmation, man wünscht die kirchliche Trauung (schon weniger) und man wird in aller Regel auch (noch) evangelisch bestattet. Kirche erscheint in der Sicht einer evangelischen Mehrheit als Gewährleisterin vergewissernder Riten, deren religiöse Deutungskraft mit großer Selbstverständlichkeit »von Fall zu Fall« bzw. »on demand« abgerufen wird.
Die volkskirchliche Normalität kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Kasualkultur deutlich ausdifferenziert. Neue Anlässe treten hinzu, und alte Kasus werden nicht mehr in den Formen gewünscht, wie sie die Agende vorsieht. In der späten Moderne werden Erinnerungskasualien und Realbenediktionen wichtiger. Und zugleich gerät der Sonntagsgottesdienst in den allgemeinen Sog kirchlicher Kasualisierung. Kasualgespräche gleichen heute eher Aushandlungs- bzw. Verkaufsgesprächen, der pastorale Auftrag wird zur religiösen ...