Über Demokratie, Urteilskraft und Gott
Ingolf U. Dalferth
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Gefährdete Demokratie: die Krise der Urteilskraft und der Vernunft
Internet und soziale Medien zersetzen die politische Öffentlichkeit. Gesinnung und Emotionen verdrängen gut durchdachte Argumente. Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit werden zu populistischen Leerformeln. Die kritische Urteilskraft schwindet oder wird diffamiert. Zugleich verkümmert die Religion zur bloßen Moral-Ressource und Gott wird aus dem Diskurs verbannt.
Mit seinem Debattenbuch thematisiert der Theologe und Religionsphilosoph Ingolf U. Dalferth, welchen Gefahren die Demokratie in den westlichen Gesellschaften ausgesetzt ist – und welche Lösungen christliche Ideen, Werte und Ideale jetzt bieten.
- Gott und demokratische Grundwerte – Wege aus der Krise
- Die Verantwortung des Menschen neu denken
- Eine Analyse aus Sicht der Religionsphilosophie
Eine demokratische Gesellschaft lebt vom Widerspruch – und vom Respekt!
Dalferths differenzierte Analyse steht in einer radikal-demokratischen Klammer: der kritischen Zurückhaltung gegenüber dem Prinzipiellen und Dogmatischen. Demokratie lebt von Diskussionen und dem Recht, im Rahmen der Gesetze anders zu leben. Sie verpflichtet aber auch jeden zum Respekt gegenüber den anderen. Wer festlegen möchte, wie zu reden und zu leben ist oder welche Argumente öffentlich Gehör finden dürfen, versteht nicht, dass es ohne Freiheit weder Gleichheit noch Gerechtigkeit gibt. Und die Besinnung auf Gott ist kein Überbleibsel einer vordemokratischen Vergangenheit, sondern die permanente Erinnerung daran, was Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit möglich machen!
Freiheit aber muss verteidigt werden!
Politische Herrschaft, auch eine demokratische, ist nie stabil. Sie braucht Sicherung. Daher gehört der Gebrauch von Zwangsmitteln (Polizei und Armee) zur politischen Herrschaft. Diese Zwangsmittel machen die Menschen nicht besser, als sie sind. Aber sie helfen, die Übel einzudämmen, die Menschen einander antun.
[The Crisis of Public Reason. On Democracy, Judgement and God]
The new book by the theologian and philosopher of religion Ingolf U. Dalferth addresses the threat to democracy in Western societies. This is exemplified by the crisis of »public reason«, which shows that deliberative democracy in Habermas’s sense has arguably always been a social fiction. The Internet and social media are undermining the political public sphere. Sentiments and emotions supplant arguments, equality and justice become empty populist phrases, and critical judgement recedes or is vilified. Profound deliberation in civil society is becoming increasingly difficult, not least because of the rise of right-wing and left-wing identity politics. Religion withers to a moral resource, and God is banished from the public sphere.
Dalferth’s nuanced discussion of these topics stands in a radical democratic bracket: in critical restraint towards what is based on principles and dogma. Democracy thrives on contradiction and the right to live differently within the framework of the applicable law, yet also obliges each to be respectful of others. Whoever wants to decide how one ought to speak and live or which arguments ought to be given a hearing in public do not understand that, without freedom, there is neither equality nor justice. And recourse to God is not a remnant of a pre-democratic past, but the constant reminder of what makes freedom, equality and justice possible.
Zum Autor
Ingolf U. Dalferth, Dr. theol., Dr. h.c. mult., Jahrgang 1948, war von 1995 bis 2013 Ordinarius für Systematische Theologie, Symbolik und Religionsphilosophie an der Universität Zürich und von 1998 bis 2012 Direktor des Instituts für Hermeneutik und Religionsphilosophie der Universität Zürich. Von 2007 bis 2020 lehrte er als Danforth Professor for Philosophy of Religion an der Claremont Graduate University in Kalifornien.
Dalferth war mehrfach Präsident der Europäischen Gesellschaft für Religionsphilosophie, von 1999 bis 2008 Gründungspräsident der Deutschen Gesellschaft für Religionsphilosophie und 2016/2017 Präsident der Society for the Philosophy of Religion in den USA. Er war Lecturer in Durham, Cambridge, Manchester und Oxford, Fellow am Collegium Helveticum in Zürich, am Wissenschaftskolleg zu Berlin, am Center for Subjectivity Research in Kopenhagen und am Institut für Religionsophilosophische Forschung in Frankfurt sowie von 2017 bis 2018 Leibniz-Professor in Leipzig. Von 2000 bis 2020 war er Hauptherausgeber der »Theologischen Literaturzeitung«.
Dalferth erhielt in den Jahren 2005 und 2006 die Ehrendoktorwürden der Theologischen Fakultäten von Uppsala und Kopenhagen.