Zeitschrift für evangelische Bildungsarbeit
Ohne Rituale geht’s nicht. Sie sind das Gerüst, Halt und Orientierung im Lauf durch Tag und Nacht, durch Leben und Sterben, in Gruppen, Kreisen, Organisationen, Einrichtungen, Staat, Religionen und Gemeinden …
Rituale geben Rahmen und Sicherheit, können aber ebenso belasten, gefangennehmen, Angst auslösen und in Panik versetzen: Neurotische Zwangshandlungen, immer wiederkehrend, im Teufelskreis ohne Ausgang; geheime Rituale der Zugehörigkeit zur Gruppe und Clique als Ausdruck von Macht und Autorität: Wer den Schwur, das Zeichen, die Parole nicht kennt, ist draußen und hat keine Chance. Und noch schlimmer: Wer drin war und raus will, ist ohne Rahmen und Sicherheit. Freiwild.
Rituale sind natürlich Fleisch und Blut religiöser Praxis. Religiöse Praxis, christliches Glaubensleben, ist angewiesen auf Wiederkehrendes, Erkennbares, Orientierendes, Haltgebendes. Wann ist uns das näher als in der nahenden Advents- und Weihnachtszeit. In religiösen/christlichen Ritualen vergewissern wir uns des Sinns durch Wiederholung, durch Wiederkehr. Ja, hier bin ich zu Hause, hier weiß ich, wie es (mir) geht. Aber religiöse, christliche Rituale entwickeln auch Schattenseiten – Zwänge, moralischen Druck, geistige und emotionale Enge, sind Ausdruck neurotischer Verklemmungen.
Das Thema ist in den unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Dimensionen von zentraler Bedeutung für kirchliche Praxis und evangelische Bildungsarbeit. Da, wo Begegnung zwischen Menschen, wo Gottesdienst und Bildung im Horizont des Glaubens organisiert wird, entwickeln sich Rituale und werden Rituale entwickelt.
Die handelnden Personen sollten sich immer wieder bewusst werden darüber, was da geschieht: Über den Wert und die Potenziale, die Wirkmacht von Ritualen in vergewissernder, stabilisierender wie auch destruktiver Hinsicht. Und vielleicht können wir uns auch anregen lassen von dem gewinnenden Umgang mit dem Thema in manchen außerchristlichen bzw. kommerziellen Ritual-Kontexten – anregen lassen von der Lockerheit, der Anmut, dem Zauber des Rituals, der offenbar auch außerhalb von Kirche und Christentum viele anzieht.
Mit dieser PGP-Ausgabe (Inhaltsverzeichnis) reißen wir einige dieser Dimensionen an und wollen damit Mut machen, das Thema Rituale unter eher konventionell-kirchlichen aber vielleicht auch für kirchliche Praxis bisher ungewohnten Aspekten in den Blick zu nehmen. Und damit Zauber wiedergewinnen – authentisch, unmittelbar, zugleich nicht ungebrochen, reflektiert.