Praxis Gemeindepädagogik, Ausgabe 1/2012
Zeitschrift für evangelische Bildungsarbeit
»Wer Gott in der Natur sucht, soll sich doch gleich vom Förster beerdigen lassen …«, sagte ein evangelischer Pfarrer vor einigen Jahren als Reaktion auf die immer wieder geäußerte Meinung von Gemeindemitgliedern, Gott anstatt im sonntäglichen Gottesdienst lieber beim Spaziergang in der Natur zu suchen. Die Reaktion des Pfarrers zeigt deutlich, dass in bestimmten Traditionslinien evangelischer Theologie des 20. Jahrhunderts Natur erleben und Gott erfahren nicht unmittelbar zusammengebracht werden. Dafür gibt es durchaus gute, in historischer Perspektive auch nachvollziehbare Gründe.
In der pädagogischen Alltagspraxis mit Kindern und Jugendlichen spielt Naturerfahrung dagegen mindestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts in vielen Facetten eine große Rolle. Bei genauerer Betrachtung wird hier aber ein Defizit sichtbar zwischen einer teilweise sehr profiliert entwickelten pädagogischen Praxis und der theoretischen Reflexion. So finden sich in der gemeindepädagogischen Literatur und erst recht in der Praktischen Theologie kaum entwickelte Ansätze einer Naturpädagogik oder einer evangelischen Naturtheologie. Allenfalls zum Thema Bewahrung der Schöpfung findet sich eine Fülle von Materialien und Praxisanregungen aus Kampagnen und Aktionen.
Das vorliegende Heft steht unter dem Thema Natur erleben. Es beansprucht – wie immer – nicht etwa, das Thema in pädagogischer oder gar theologischer Perspektive auch nur annähernd erschöpfend zu bearbeiten. Vielmehr wollen wir wieder Anstöße geben: zu Praxisansätzen für die Arbeit mit der Natur und zur pädagogischen und theologischen Reflexion der Praxis.
Mehrere Beiträge behandeln das Thema »Garten«. Der Garten ist ein schöpfungstheologisches Motiv, das sich kulturgeschichtlich und pädagogisch-theologisch, kirchenpraktisch und interreligiös als Traditionslinie verfolgen und als Naturerlebnisraum erschließen lässt.
Zur Natur gehört gleichfalls auch die dunkle Seite: Naturkatastrophen und verheerende Auswirkungen menschlichen Handelns mit der Natur lassen die gottabgewandte Seite der Natur erkennen: Wo ist Gott, wenn ein Tsunami tausende Menschenleben auf Nimmerwiedersehen ins Meer spült? Wo ist Gott, wenn viele Quadratkilometer radioaktiv verstrahlt sind und das Bebauen des Gartens über viele Generationen nur als absurd gelten kann? Auch dies gehört zum Naturerleben. Besonders hier zeigt sich die Relevanz des Dialogs zwischen Theologie, christlicher Ethik, Weltverantwortung, Pädagogik, Naturwissenschaft, Wirtschaft und Politik. Wie kompetent aber sind Gemeindepädagoginnen und Gemeindepädagogen für diesen Dialog? Wie kompetent werden Kinder, Jugendliche und Erwachsene für diesen Dialog durch die gemeindepädagogische Praxis? – Fragen, die wir nur anreißen können, aber für zukunftsweisend halten.
Ab dieser Ausgabe finden Sie zusätzlich zu den Beiträgen zum Heftthema, zum Kirchenjahr und im Gemeindepädagogischen Forum zwei neue Rubriken: Wir wollen ab jetzt kontinuierlich Beiträge aufnehmen zum Thema »Ehrenamt begleiten«. Außerdem wollen wir die EKD-Themenjahre bis zum Reformationsjubiläum 2017 begleiten durch Materialien zum jeweiligen Jahresthema. 2012 steht unter dem Motto »Reformation und Musik«. Dass Musik nicht nur etwas für eine bildungsorientierte Mittelschicht oder für die Hochkultur ist, zeigen viele jugendkulturelle Initiativen. Wir stellen die Arbeit eines Tonstudios als Bildungsprojekt für Jugendliche mit geringen Bildungschancen vor. Hier zeigt sich, wie Musik und Religion in einem pädagogischen Kontext für die Persönlichkeitsentwicklung von herausragender Bedeutung werden können.
Die »Praxis Gemeindepädagogik« kann als Einzelheft sowie im kostengünstigeren Abonnement bestellt werden. Nähere Informationen finden Sie hier.