Ende des liberalen Paradigmas?
Gerhard Wegner
Die liberale Sicht auf Religion und Kirche stimmt nicht mehr. Das machen jetzt auch die Ergebnisse der 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD deutlich. Die Zeiten, in denen man unwidersprochen behaupten konnte, alle Menschen hätten eigentlich religiöse Interessen, und der Geltungsverlust der Kirche läge daran, dass sie durch ihre Dogmatik und ihren autoritären Stil den Menschen nicht mehr gerecht werde würden, sind vorbei. Natürlich muss weiterhin zwischen Religion und Kirche unterschieden werden, aber religiöse Kommunikation findet sich ohne Kirche – genauer: ohne Kirchengemeinden – so gut wie nicht.
Am Ende einer Skala kirchlichen Bindungsverhaltens stehen nicht neue Formen des Religiösen, sondern es findet sich schlicht Indifferenz. Deshalb ist Umdenken gefordert, wenn wir die Bindung an die Kirche nicht weiter erodieren lassen wollen.
Die produktive Kraft des Religiösen muss wieder selbstbewusster in das Zentrum kirchlicher Bestrebungen gestellt werden. Damit rücken Kirchengemeinden, religiöse Gemeinschaftsformen, Charismatiker als Innovatoren – alles in allem letztlich kommunitaristische Konzepte – in den Vordergrund.
Die Texte des Bandes helfen, diesen Wandel besser wahrzunehmen und zu gestalten.
[Religious Communication and Ecclesial Commitment. The End of the Liberal Paradigm]
The liberal view on religion and church is no longer correct. This is revealed for instance by the results of the fifth study on church membership of the EKD. The times are gone when it could be argued without opposition that basically all people have religious interests and that the loss of importance of the church is due to its dogmatics and its authoritarian style. Of course, there is still a distinction between religion and church, but religious communication without the church – or to be more precise, without church congregations – is nearly non-existent. Therefore a change of thinking is needed if we don’t want a further degradation of the commitment to the church.
Zum Autor
Gerhard Wegner, Dr. theol., Jahrgang 1953, studierte Theologie in Göttingen und Nairobi. Er ist Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD und apl. Professor für Praktische Theologie an der Universität Marburg, zudem Mitglied in zahlreichen politischen, kirchlichen und diakonischen Gremien – u.a. in der Sechsten Altenkommission der Bundesregierung, dem Beirat des Denkwerks Demokratie, dem Präsidium des Diakonischen Werkes Niedersachsen und dem Beirat zur 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD.